Die lange Nacht der Museen in Stuttgart war in Sachen Kunst lange Zeit eine der besten Veranstaltungen dieser Art in Deutschland. Kurze Wege, dank Stuttgarts Kessellage, ermöglichten Besuchern ziemlich viele Locations in kurzer Zeit zu besuchen und damit einen guten Querschnitt durch die Welt der Kreativen zu erhalten.
Seit den Corona bedingten Unterbrechungen hat sich das Konzept der langen Nacht in Stuttgart gewandelt.
Die Idee zur langen Nacht wurde in Berlin geboren. Zitat
Das Ziel der „Erfinder“ der Langen Nacht war es, neue Besucherkreise auf kulturelle Einrichtungen aufmerksam zu machen. Dadurch entstand die Gemeinschaftsaktion mehrerer Museen und Kultureinrichtungen an einem Ort gemeinsam bis in die Nacht, also außerhalb der regulären Öffnungszeiten, geöffnet zu haben und die Veranstaltung gemeinsam zu vermarkten. Man erhoffte sich somit nicht nur die Stammkundschaft zu erreichen, sondern (und vor allem) auch die Nicht-Museumsbesucher. Durch die außerregulären Öffnungszeiten wollte man die Jugend erreichen. Denn Museen kämpfen vor allem bei Jugendlichen gegen das Vorurteil an, alt, verstaubt und langweilig zu sein. Aber auch die arbeitende Bevölkerung sollte angesprochen werden, da nach einem normalen Arbeitstag für viele gar nicht die Möglichkeit besteht, außer an Wochenenden und Feiertagen, ein Museum zu besuchen.
Zitat Ende. Quelle https://www.kulturhochn.de/die-lange-nacht-der-museen/
Diesem Hauptgedanken folgte man in Stuttgart viele erfolgreiche Jahre; Seit ein paar Jahren wird das Konzept ausgeweitet und auch geändert. Von den einstigen eigens dafür eingesetzten Sonderbussen (shuttles) ist nicht mehr viel übrig geblieben; Heute muss man hauptsächlich die normalen Bus-Linien und Stadtbahnen hierfür nutzen; Dadurch erreicht man die Locations nicht mehr so gut, man ist gezwungen mehr zu laufen (oder E-Scooter nutzen).
Es mag auch diesem Grund geschuldet sein, das der Stuttgarter Westen mit den vielen Galerien dieses Jahr das erste Mal dunkel blieb. D.h. diese Locations waren nicht mehr bei der langen Nacht dabei. Laut Aussage des Veranstalters (Lift Stadtmagazin) vor Ort, gab es dafür mehr Verbindungen und Locations in den Stadtteil Degerloch.
Das die Stuttgarter Staatsgalerie schon seit etlichen Jahren nicht mehr an der Veranstaltung teilnimmt, ist einer Kosten-Nutzen Analyse geschuldet. Der gewünschte Effekt zwischen erfolgreicher Werbung für das eigene Haus und steigenden Besucherzahlen ging hier nicht auf. Hohe Kosten für Personaleinsätze und Organisation stehen im Weg. Zumal die Erlöse aus den Eintrittskarten hauptsächlich dem Veranstalter zugute kommen, ist es leicht verständlich, wenn Locations hier nicht mehr mitmachen.
Mit einem nunmehr bei 22 Euro angelangtem Ticket pro Besucher, ist dann auch fraglich ob dem ehemaligen Hauptgedanken zur langen Nacht überhaupt noch Rechnung getragen werden kann.
Dem entgegen stehen die Besucherzahlen; junge Menschen wurden jedenfalls erreicht, was wir bei den Menschenmaßen feststellen konnten. Es waren wieder sehr viele unterwegs; auch dem Wetter geschuldet, welches mit moderaten Temperaturen und ohne Regen der Veranstaltung entgegen kam.
Lange Nacht der Museen für Partypeople
Die Stuttgarter Zeitung, welche ebenfalls mit einem Projekt an der langen Nacht beteiligt war, titelte als Ankündigung auf ihrer Webseite "Lange Nacht der Museen für Partypeople".
Man könnte auch von einer "langen Nacht der Kultur & Party" sprechen, dies würde das Programm aus unserer Sicht besser treffen. Dabei bleibt dann zu erwähnen das es eine Lange Nacht der Kultur(en) in Stuttgart jedes Jahr im Herbst bereits gibt.
Wohin geht die zukünftige Reise?
Mutmaßlich spielt der Faktor "Geld" die größte Rolle. Die abgespeckten Shuttlebusse, also gekappte Verbindungen, dürften diesem geschuldet sein; Personalkosten und Nöte bei der SSB (Stuttgarter Straßenbahnen) ein weiterer.
Und was dann im Hintergrund bezüglich Kosten und Einnahmen noch eine Rolle spielt, dass etliche Locations nicht mehr mitmachen, weiß man nicht. Das der Veranstalter Lift auf die Einnahmen aus den Ticketverkäufen und Werbung angewiesen ist, in Zeiten von zurückgehendem Interesse an den Printmedien, liegt auf der Hand.
So wird der ursprüngliche Gedanke der langen Nacht verwässert und gleitet eben mehr ab in Richtung Party und Event. Dabei bleibt sicherlich ein Teil der Besucher, nämlich diejenigen meist Älteren, welche mehr zur Kunst anstatt zur Party tendieren, auf der Strecke.
So ist zu Erwarten, das es zukünftig in diesem Tenor weitergeht; schade eigentlich, dass die Mischung der früheren Jahre offenbar nicht mehr zum finanziellen Erfolg führt. Dann mögen die Jüngeren dazu beitragen und eben Party feiern. Doch die Bezeichnung der langen Nacht der Museen sollte hierfür künftig überdacht werden. Das passt nicht mehr richtig.
Unsere besuchten Locations
Wir besuchten diese Jahr hauptsächlich die Locations in der Innenstadt. Die Ifa-Galerie bot mit ihrer Ausstellung "Traces for Interest" einen Querschnitt aus ihrem riesigen Kunstbestand. Die dazu angebotene Führung war kurzweilig und sehr gut ausgeführt.
Das Stadtpalais erstaunte einmal mehr mit der Ausstellung "not my hero" Stuttgarter Persönlichkeiten, welche längst nicht mehr leben. Die Inszenierung auf überdimensionalen interaktiven Smartphones mit Instagram auftritt der Verstorbenen, war eine großartige Idee.
Die Stuttgarter Zeitung zeigte unter dem Label "Stadtkind" Fotographien von vier Fotograph:innen, zum Thema [ ]"Nightlife im Kessel".
Die Galerie Interart bot erneut einen bunten Strauß an Werken, von denen uns doch einige gute gefallen haben
Die Galerie Strzelski war auch wieder am Start und zeigte sehr schöne Keramiken zweier verschiedener Künstler:innen.
Unsere Besuche im ehemaligen Wasserspeicher und beim Projekt Stadtareal Rosenstein waren interessant und informativ, weniger museal. Die Sternwarte war, wie viele andere Locations, überlaufen. Wartezeiten von mehr als einer Stunde waren dann nichts für unsere Geduld.
Wir sind gespannt wie sich die lange Nacht der Museen in Stuttgart weiterentwickeln wird. Auf ein Neues in 2025.